nachtplan   - Nr. 90 -    



Hinter Egoprisme verbirgt sich Jean-Marc Le Droff. Der musiziert seit 2015 in seinem Studio in der französischen Hafenstadt Brest und nach einigen Bandcamp Digitalveröffentlichungen verschifft er nun mittels Manic Depression Records auch seine ersten richtigen Tonträger in die Welt. Mit 15 Tracks gibt es auf der CD "Among Noise" massig zu Hören. Der Großteil lohnt, womit ein Kauf rasch gerechtfertigt wird. Musikalisch variiert Egoprisme von Synth-Pop über Futurepop bis Retrowave. Also ist das Ganze schon einmal mindestens abwechslungsreich. Für meinen Geschmack wirken die Futurepop-Ausflüge wie zum Beispiel "Fast Fashion" noch am schwächsten, weil doch etwas beliebig. Die ebenfalls vertretenen minimalisierten Synth-Pop Nummern mit Cold Wave Seele besitzen da mehr Tiefe. Hier ist so eine und sie trägt den Titel "Étendard".  
/ Weblink: Egoprisme









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Das Post Punk Trio Blind Seagull aus der russischen Ostseeprovinz Kaliningrad gibt es schon recht lange. Seit 2015 veröffentlichen sie auch regelmäßig, womit ihr Katalog mittlerweile wirklich stattlich ausschaut. "Pressure" ist ihr aktuelles rein digitales Release aus 7 Songs und gleich der Opener "Connections" verrät durch sein Tempo, dass die Band noch kein bisschen müde ist, sondern - genau andersherum - nun erst richtig aufzudrehen scheint. Blind Seagull selbst, nennen sich eine LoFi-Band, was ich nicht unterschreiben kann. Die Aufnahmequalität schwankt zwar auch innerhalb der 7 neuen Songs gewaltig, aber bis herunter zu rauschendem Kassettenklang bewegen sie sich dabei nie. Sogar ihr Livealbum aus dem letzten Dezember war zumindest rein technisch weit leichter hörbar, als jedes Joy Division Bootleg der 80er. Aber zurück zum aktuellen 7-Tracker, hier daraus einmal "Connections".
/ Weblink: Blind Seagull
 









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"Castration Anxiety" wird der neue Longplayer der Klangterroristen Hide aus Chicago heißen. Das Duo aus Sängerin Heather Gabel und Elektroniker Seth Sher hatte ich in einem ganz alten Blogpost bereits einmal kurz als vielversprechenden Newcomer vorgestellt. Mittlerweile sind sie zumindest in der amerikanischen Szene schon etwas bekannter. Dieses Frühjahr supporten sie erst Adult und dann Covenant bei einigen USA-Terminen. Hide klingen jedoch weit radikaler als die beiden genannten Hauptattraktionen. Das Label DAIS wird "Castration Anxiety" als Vinyl bringen und dort, wo man auch Youth Code und Coil Tonträger versendet, passen Hide dann auch richtig gut ins Programm. Die CD und das Digitalformat wird Joyful Noise Recordings übernehmen. 
Harter, energetischer Post-Industrial Electro Sound mit Drone Elementen sind bereits seit 2014 die Passion des Duos, aber seit ihrer EP "Black Flame" im letzten Jahr haben sie aufnahmetechnisch noch mal ordentlich zugelegt. "Castration Anxiety" wird am 23. März erscheinen und hier daraus schon einmal der Song "Wildfire".
/ Weblink: Hide

 





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Ontic ist das rein elektronische Projekt von Andrew Dun aus Melbourne und ganz frisch in der Musiklandschaft. Die noch nicht ganz ausgereifte Produktion gleicht Andrew ganz lässig durch seine angenehme Gesangsstimme und sein Händchen für eingängige Melodien wieder aus. Drei digitale Singleveröffentlichungen platzierte er bereits in diesem Jahr im Bandcamp. Die aktuellste heißt "Captive" und hier als Kostprobe ihre auch nicht schwächere B-Seite "Fracture". Ich persönlich fühle mich durch den Track an Cabaret Voltaire zu deren Phase von "Micro-Phonies" bis "Drinking Gasoline" erinnert. EBM mit heruntergefahrenem Tempo und Songcharakter also, aber macht euch selbst ein Bild, hier nun endlich "Fracture". Der Gesang kommt recht spät, aber er kommt.
/ Weblink: Ontic

 






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Eine düstere Synth Wave - Linie plus unterkühlt wirkende französische Vocals. Damit zeigt der Song "Chronique Erotique" von Cubüs, was man genau unter Cold Wave versteht, läge man den Begriff einmal auf die Goldwaage. Eine Gitarre dürfte noch rein, aber bei Cubüs gibt es keine und es funktioniert ja auch so ganz prima. Das brasilianische Duo gibt es zwar schon eine gefühlte Ewigkeit, aber die Hinzunahme weiblicher Vocals (Claude Cotard Samples) plus warme Analogklänge anstatt der vorher üblichen moderneren, digitalen Elektroniksounds, macht die kommende EP "Flores Mortais" nun richtig interessant. Das ebenfalls in Rio De Janeiro ansässige Label Paranoia Musique wird die EP bringen. Hier einmal daraus "Chronique Erotique".





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Markus Midnight aus dem kanadischen Edmonton war seit seinem Auftauchen 2015 mit jeder seiner Veröffentlichungen ein Anwärter für einen Blogeintrag. Düsterer Electropop ist sein Metier und er verfügt über eine passende Gesangsstimme. Seine Releases waren jedoch nie so richtig rund und für meinen Geschmack überschatteten zu viele Szeneklischees (Cover-Artworks, der Name und mehr) leider immer wieder einen kleinen Tick das eigentlich vorhandene Potential. Des Öfteren stellte ich hier Kandidaten vor, bei denen eine Neuauswahl. bzw. Selbstauswahl der Sahnestücke durchaus zu einem ganz anderen Hörerlebnis führen könnte. Im Falle von Markus Midnight nahm uns nun das Label Wave Records mit Sitz in São Paulo diese Auswahl ab. Unter dem Titel "Fifteen Midnight Rituals" veröffentlichte man dort gerade ein CD Album, das die Höhepunkte seiner bisherigen Veröffentlichungen plus einiger Demotracks die bis ins Jahr 2009 zurückreichen, enthält. So gebündelt kommt das schon ganz anders rüber und somit ist Markus Midnight nun hier als Empfehlung endlich mit dabei. Zum weiteren Neugierigmachen hier einmal der auf der CD enthaltene Demo-Song "The Fashion" aus dem Jahr 2012.
/ Weblink: Markus Midnight CD
 







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Das amerikanische Label Cleopatra Records war früher durch eher durchschnittlich gelungene Compilation-Alben bekannt, um es mal sogar noch diplomatisch auszudrücken. Was man Labelgründer Brian Perera dennoch immer hoch anrechnen musste, ist seine sehr eigenwillige Setzung von Genregrenzen, was Einzelkünstler angeht. So reicht sein Katalog von Motörhead bis Kraftwerk. 
Nach langen Jahren war es die "Occult Box"- Compilation im Jahr 2015, die Cleopatra dann plötzlich unerwartet als noch aktiv und sogar sehr dicht am aktuellen musikalischen Geschehen zeigte. Darauf kombinierte man klassische amerikanische Electro- und Goth-Themen mit einer vierten CD, die gesuchtes Material aus den ersten Stunden von Witch House, also ab 2010 enthielt (!). 
Mit dem amerikanischen Act Lapis Exilis hat Cleopatra nun auch einen Künstler unter Vertrag, der zwar nicht dem Genre Witch House zuzuordnen ist, aber dennoch sehr moderne Töne anschlägt. Dies macht er im Bereich Indie-Rock und elektronische Klänge setzen das i-Tüpfelchen. "Hexagram" hiess das Debütalbum im letzten Herbst, das rückblickend betrachtet leider ziemlich unbeachtet blieb. Daher hier - kurz vor der nächsten Single von Lapis Exilis - dann doch vertreten. 
Schwierig wird es mit dem Hörbeispiel. Der Hit des Albums ist zufällig auch der musikalisch herkömmlichste Track, also der am einfachsten gestrickte Song. Der Rest des Albums ist elektronischer. Mit diesem Vermerk an die Elektronikfreunde nun also hier dennoch der Indie-Rock-Song "Run Away". Wer lediglich mehr solche Ohrwürmer sucht, wird - wie gesagt - mit dem Gesamtalbum eher Probleme haben, befürchte ich.
/ Weblink: Lapis Exilis 


 
 
 
 
 
 
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Wer im letzten Herbst frühzeitig am Debüt "1" des Minimal-Synth Projektes Der Nachtportier aus Hannover mit einem Kassettenkauf dran war, kann sich glücklich schätzen, denn das Tape ist bereits ausverkauft. Eine Limitierung von 50 Stück ist jetzt nicht so wirklich hoch, aber hey, wir sprechen hier von einem Newcomer und einem Magnetband. Ich behaupte einmal, es ist nur eine Zeitfrage, bis sich ein passendes Label, wie zum Beispiel Werkstatt Recordings, dem Material nochmals annimmt oder zumindest sein nächstes Release etwas größer bringt. Wenn man lediglich seinen eher locker daherkommenden kleinen Minimal Synth Hit "Kommando Limmerstraße" kennt, könnte ein etwas falscher Eindruck entstehen, denn Der Nachtportier begibt sich musikalisch in eine eher verschrobenem düstere Minimal-Synth- Richtung die mich ein wenig an Antlers Mulm erinnert. Mit Partylaune Marke Welle Erdball hat der Portier sonst herzlich wenig zu schaffen, was den Düsterromantikern entgegenkommt. 
Daher hier als Hörbeispiel eben nicht die Limmerstraße, sondern die etwas zähe, aber wie ich finde weit repräsentativere Synth-Wave-Nummer "Kolonie im Eis".
/ Weblink:: Der Nachtportier

 


 
 
 
 
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Ich glaube seit den Mad Masks ist hier im Blog, was superminimale Sounds im Bereich Darkwave angeht, nichts passiert und das ist schon länger her. Der neue US-Act namens Rowen kommt da also ganz recht. Die amerikanischen Seed Stock Records wollen in Kürze die Debüt-Musikkassette mit dem Titel "Ashen Spirit" herausbringen. Interessant daran ist, dass es sich dabei eigentlich um ein Label und Vertrieb für Black Metal handelt. Des Öfteren trifft man dort zwar die Spielart Dungeon Synth als experimentelle, elektronische Nebenprojekte von Black Metal Musikern an, aber Rowen sind anders. Um zu erklären wobei es beim Duo musikalisch wirklich geht, kann ich hier wie schon bei den Mad Masks erneut den "Carnage Visors" Soundtrack von The Cure zu deren "Faith" Zeit als Referenz nennen. Hölzern-gedämpfte, treibende Drums und einschmeichelnde melancholische Melodien als Kontrast darüber. 4 Spuren und fertig. `Lo-Fi Cold Wave´ wäre das vielleicht passende Etikett für eine Schublade, in der man die rein intrumentalen Klänge von Rowen ablegen könnte um sie auch gut wiederzufinden. Als Hörprobe hier einmal der Track "Burn The Fields".
/ Weblink 1::  Rowen (weitere Hörproben) 
/ Weblink 2::  Rowen (Order)






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Das New Yorker Label Good Eye Records hat soeben die EP "Penance" der Band Russian Baths veröffentlicht. Das Quartett aus Brooklyn fällt durch einen sehr eigenwilligen und daher selten anzutreffenden Sound auf: Man kombiniert Post Punk mit moderneren Grunge-Tönen und macht auch vor 70er Psychedelia-Einlagen nicht halt. In dieser Kombination sind sie somit im Fach Noise Rock gut aufgehoben. Da der Freund von Post Punk oder Shoegaze dort seltener gräbt, seien die Russian Baths nun hier vorgestellt. 
Im Jahre 2016 gab es einmal eine 2 Song - Musikkassette der Band, die noch sehr nach Krautrock und `sich ausprobieren´ klang, mit "Penance" geht man nun etwas differenzierter ans Werk. Dennoch: Wenn man in der Vergangenheit weder mit Sonic Youth noch mit Phillip Boa and the Voodooclub etwas anfangen konnte, wird man auch den Russian Baths vielleicht auch nichts abgewinnen können. Aber warum lange reden, hier einfach einmal der Song "Slenderman" von der EP, der ja bei Nichtgefallen schnell wieder gestoppt ist.
/ Weblink 1: Russian Baths (Tape) 
/ Weblink 2: Russian Baths (EP / order) 
/ Weblink 3: Russian Baths (EP / weitere Hörproben) 







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Als üblicher schräger Abschluss des Blogeintrags diesmal unübliche Musik. Die Band King Crimson startete bereits 1969 als Progressive-Rock-Gruppe, löste sich irgendwann auf und kehrte dann 1981 mit Unterstützung von Adrian Belew (Gastgitarrist bei Laurie Anderson, Talking Heads, Frank Zappa, David Bowie und vielen weiteren) und dem Album "Discipline" zurück. Dieses bestand aus einer damals innovativen Mixtur von Art Pop und New Wave. Veröffentlicht wurde es auf dem Label EG, das einst vom Manager von Emerson Lake & Palmer und Roxy Music gegründet wurde. Neben Virgin Records und Charisma war EG eine der verlässlichsten Anlaufstellen für Art Pop in den 80ern. Einen der Höhepunkte des "Discipline" Albums bildete der lange, instrumentale Track "The Sheltering Sky", der die beiden doch sehr verschiedenen Ansätze von Robert Fripp (King Crimson Mastermind und sehr bekannt durch seine Gitarrenarbeit in David Bowies "Heroes") und Adrian Belew, was experimentelle Gitarrensounds angeht, großartig stimmig in Einklang bringt. In sich nicht so ganz im Einklang ist der Part von Robert Fripp in diesem Track. Ich hatte selbst mal versucht herauszubekommen um welche orientalische Tonleiter es sich genau handeln könnte. Erfolglos, und am Ende überzeugte mich meine These, dass es sich einfach durch Einsatz des Pitch-Shifters als schräge Verstimmung einer normalen Zigeunertonleiter (Ja, das ist wirklich noch politisch korrekt, bei den Schnitzeln ist es bereits schwieriger) handeln könnte. Jetzt kommt aber endlich der Clou. Was wir hier hören ist eine A-Capella Nachahmung des gesamten Tracks mittels Mehrspuraufnahme. Und die Amerikanerin Petra Haden hat es drauf. Ich bin immer noch baff, wie detailgetreu sie "The Sheltering Sky" bringt und der Nummer trotzdem noch eine ganz neue Note gibt. Ich zumindest hatte bein ersten Hören des Mittelparts (ab ca. 3:50) eine einminütige Gänsehaut.
Noch eine letzte Anmerkung aus aktuellem Anlass: King Krimson spielen im Juni an zwei Abenden in der Lichtburg Essen, jedoch ohne Adrian Belew und mit Schwerpunkt auf das psychedelische Frühwerk.






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