nachtplan   - Nr. 82 -    



"Transhuman" heißt das Debütalbum von Black Arcade aus Kentucky und Jack Spade der Mann dahinter. 
10 Songs sind es geworden und als Musikkassette und CD erhältlich. Ein guter, hübsch poppig-waviger Longplayer ist es geworden. Lediglich der Mittelteil (Dehumanized/Moon/Mechanical Soul) ist musikalisch ein klein wenig flacher und auch gesanglich etwas schwacher geraten. Wirklich düster wird es nie, aber das war bereits zu erwarten. Denn bereits bei den ersten Lebenszeichen von Black Arcade, in Form einiger Joy Division Coverversionen, fiel eines auf: Jack Spade pickte sich dazu genau die wenigen, eher poppigen Songs der Post Punk Legende heraus, welche dann auch für Lieschen Müller als 80er Wave vertraut klingen. 
Die Leute, die Joy Division wegen "Love Will Tear Us Apart" und "Atmosphere" oder The Cure wegen "Just Like Heaven" und "Friday Im In Love" hören, ticken ja nicht unbedingt genauso, wie die Fans der gleichen Bands, die eher die Tiefe und kühlere Atmosphären favorisieren, anstatt einer Leichtfüßigkeit, die sich - zumindest rein musikalisch gesehen - sehr nahe am Britpop bewegt. Rastlos wütende (Post Punk) und depressive (Darkwave) Stmmungen, wie es sie von jenen beiden Bands massig gab, sind bei Black Arcade also gar nicht zu finden. Es bleibt flockig-poppig, mit einem Hauch von Melancholie. Ohne lange über einzelne Tracks zu reden, lieber gleich einmal hineinhorchen. Hier dazu das wavige "Kissed To Kill".
/ Weblink: Black Arcade


 





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Herbstlich bedächtige Musik bieten die Sparten Dream Pop und Shoegaze zwar ganzjährig, aktuell haben sie es halt etwas leichter, neue Hörer zu gewinnen. Public Memory aus Brooklyn werken in dieser Dream Pop Nische und erweitern den Horizont um etwas Cold Wave Elektronik und Trip Hop Beats. "Wuthering Drum" ist ihr als Vinyl und CD erhältliches Debütalbum. Hinter Public Memory steckt der durch das Projekt Eraas bereits bekannte Robert Toher. Für Liveauftritte hat er zwar eine Keyboarder- und Sängerin mit auf der Bühne, singt aber hauptsächlich selbst, was einen beim ersten Hören etwas irritieren mag, klingt seine Stimme doch enorm weich und lasziv.
Das Album kam bereits im Frühjahr und ich dachte es macht seinen Weg alleine. Gefehlt, denn man setzte bei der Promotion ganz auf die Bereiche Neue Musik und Rock, was mit Eraas hätte funktionieren können, doch Public Memory wirken für diese Kategorien dann doch zu wavig, eindimensional und retro. Eindimensional steht hier diplomatisch für "alles doch sehr ähnlich klingend", denn man bleibt alle 10 Tracks über in einer Stimmung. Wenn man diese jedoch mag - und der Herbst ist wie gesagt die einfachste Zeit sie zu haben - dann hat man mit "Wuthering Drum" etwas passendes gefunden. Höhepunkt des Albums ist für mich der Titel "Interfaith", aber hier zum Kennenlernen ihr Song "Lunar", da er auch zu bewegten Bildern vorhanden ist.







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Gleichfalls ein wenig früh und zu falschen Temperaturen dran, waren Crystal Soda Cream im Juni, mit ihrem Song "September". Dieser stammt aus ihrem noch aktuellen Album "Work & Velocity", das durch das Wiener Label Totally Wired Records als Vinyl und digital veröffentlicht wurde. Es handelt sich um das bereits dritte Album des ebenfalls in Wien ansässigen Trios, wenn man das Remixalbum nicht als echtes mitzählt.
Beachtlich finde ich, dass sie den kleinen Amateurcharme in ihrer Musik immer noch nicht verloren haben. Einem Sound wie ihrem sehr wavigen Post Punk steht eine solche Leichtigkeit sehr gut, wie ich meine. Akustisch fühlt man sich also erinnert an das allererste The Cure Album oder den Debüt-Longplayer von Leningrad Sandwich. Es bleibt immer ein wenig nervös und rastlos. In den wenigen Ruhepausen gibt es dann aber auch einmal hübsche Melodien mit Keyboardtönen, wie sie die `originalen´ Amateur Wavebands - zum Beispiel Days Of Sorrow - bereits früher dezent einzusetzen wussten. Textlich gibt man sich rebellisch und sozialkritisch, nennt die Sorgen auch schon einmal bei ihren deutschen Namen und bleibt damit im fassbaren Post Punk Bild. Hier aber nun endlich das jetzt jahreszeitlich etwas besser passende, hübsch verträumte "September".
/ Weblink: Crystal Soda Cream








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†Я▲СΣS ❍F GΗ❍5†5 leben und werken in Argentinien und wie die Schreibweise ihres Namens bereits vermuten lässt, bevorzugen sie dabei den Bereich Witch House. Luis Ogre heißt der Mann, der dieses Projekt Anfang des Jahres ins Leben rief und seine bereits zehnte Digitalsingle ist gerade in Arbeit. Für ein Album hortet er also das Material noch nicht, sondern probiert sich aus, wechselt die Richtungen und wenn ein Track fertig ist, kommt er halt heraus. Die Instrumentaltracks finde ich bisher durch die Bank gelungen, die gesampelten und gepitchten Vocals der wenigen Drag-Ausflüge klingen mir dagegen persönlich immer noch zu sehr nach Pop, auch wenn ich die originalen Songs gar nicht kenne. Auffällig und positiv finde ich, dass †Я▲СΣS ❍F GΗ❍5†5 nichts überkomprimieren. Der Sound hat also Wums, Fläche und Dichte, ohne dabei jemals in künstlichen Plastiksounds Marke Dubstep zu knattern oder zu quietschen. Hier zum Hineinhören einmal ihr Titel "Láς† Бřєά†ћ", der selbst Gitarrenfreunden, die The Cure und Shoegaze mögen, gefallen könnte.
/ Weblink: Traces Of Ghosts

 






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Bei Klez.e handelt es sich um eine deutschsprachige Indie-Band aus Berlin, die seit ihrer Gründung in 2002 recht erfolgreich drei Alben und sieben Singles unters Volk brachte, um die es aber danach sieben Jahre lang fast komplett still war. Als Hörer von Düsterklängen muss man die Band nicht wirklich bereits kennen, stellten sie doch - wie so viele ihrer Indiekollegen - ihre Textbotschaften so sehr in den Vordergrund, dass man sich rein musikalisch auch gar nicht über 08/15 Niveau hinaus bewegen musste. Klez.e experimentierten zwar mit Weingläsern, Vibraphon, Theremin, Harmonium und anderen Gerätschaften, aber doch zu zaghaft. Ich täte das als Post-Krautrock abhaken, mehr auch nicht, denn Industrialkünstler und Samplemusiker hatten doch in den 80er bereits vorgelegt, wie man Geräusche und unübliche Instrumente wirklich effektvoll in Songs einbindet.
Ja, die Last der deutschen Texte. Nehmen wir einmal einen Bestseller wie Grönemeyer. Täte man eines seiner Alben unter anderem Namen als Instrumentalversion anbieten und säßen die zugehörigen Texte nicht bereits im Hinterkopf der Hörer, verkaufte er davon vielleicht fünfzehn oder zwanzig Stück, anstatt Millionen. Bei etlichen deutschsprachigen Indiebands ist das nicht anders. Selbst wenn die Kompositionen eigentlich richtig clever sind, die gewählten Instrumentensounds wurden und werden fast immer zu einem gleichförmigen Brei von Langeweile heruntergeschliffen - hübsch glatt halt, es soll ja nicht von den `so wichtigen´ Texten abgelenkt werden. Ich kürze diesen Gedankengang einmal auf einen frechen Satz: "Wenn man im Ausland keine Platten verkauft, liegt das nicht daran, dass man nicht englisch singt, sondern daran, dass die Musik einfach belanglos klingt".
Mit ihrem vierten Album beweisen Klez.e nun etwas mehr Mut und geben sich roher und kantiger, was ihre aneckenden Texte viel besser ergänzt, wie ich finde. Den Freunden dunklerer Musik kommt zusätzlich entgegen, dass man klare Referenzen an The Cure einfügte. Der Vorabsong "Mauern" klingt knochig post-punkig und cold-wavig wie The Cure es 1982 taten und als Albumtitel wurde "Desintegration" gewählt. Das entsprechende 1989er Album "Disintegration" von The Cure sollte bekannt sein, das von Klez.e wird am Freitag den 13. Januar erscheinen. Hier daraus schon einmal der Song "Mauern".
/ Weblink:Klez.e

 




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Joaquín Urbina lebt in Barcelona und sein musikalisches Kind trägt den ungewöhnlichen Namen Pola Tog. Auf zwei EPs hat er dessen Cold Wave und Minimal-Synth Sounds bereits verewigt. "1" und "Rayogrammes" waren die Titel und letztere EP erschien auch als limitierte Musikkassette. Der darauf enthaltene Song "Cold Text" entwickelte sich zu einem kleinen Hit in den entsprechenden Kreisen. Die erste EP wurde damit aber leider nicht automatisch bekannter und geistert weiter verlassen im Bandcamp herum. Also ein Grund, einmal daran zu erinnern, dass da noch mehr war als die "Rayogrammes" EP auf dem Domestica Label. Dazu flugs den Song "Rrose Sélavy" von der "1" EP noch einmal mittels eines nagelneuen Clips wiederbelebt und nun hier zu sehen.
/ Weblink 1: Pola Tog (aktuelle EP) 
/ Weblink 2: Pola Tog (EP 1)



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Regis Turner aus dem fanzösischen Champeix hat ihn drauf, den `Minimal-Synth Cold Wave Chanson´ - Stil, wie ihn einst nur Kultbands zu deren experimentellen Anfangszeiten besaßen. Polyphonic Size und Visible seien den Kennern genannt. Dies dann noch in einem Lo-Fi Gewand denken, in dem es auch zum Beispiel The Actor aufzunehmen verstanden. Jetzt sollte den Sammlern, die teure Tonträger nicht nur wegen ihrer Seltenheit, sondern auch wegen der enthaltenen Musik horten, hellhörig geworden sein. Die Übrigen werden sich gleich beim Hören vielleicht denken "Spielzeugsounds mit Gesang oder was soll das sein?", aber man kann es halt nicht allen Recht machen.
"Compte Sur Moi" ist das Debütalbum von Regis Turner und vereinigt seine Aufnahmen der letzten beiden Jahre. Beim französischen Label Le Syndicat des Scorpions fand er endlich ein passendes Zuhause. Passend, weil zum Beispiel die - wenn auch auf andere Art - ebenfalls extrem minimalistisch klingende Nina Harker, ebenfalls dort veröffentlicht. Das Album ist digital und als Vinyl erhältlich.
Zugegeben, den Clip zum Beispielstück fand auch ich etwas überraschend. Aber, ein Musikvideo in dem ein Lidl-Logo auftaucht und in dem dann dennoch niemand losrappt, den muss man auch erst einmal finden. Eigentlich finde ich es ja auch gut, wenn man sich nicht extra wie in einem schrillem 80er Pop Video kleidet, um einen auf früher zu mimen, sondern jemand lediglich `auch einmal wieder´ auf die Idee kommt, mit einfachsten Mitteln kleine, sentimentale Songs zu erschaffen. Den Leuten, die mit Bekleidung und exakt den gleichen Mini-Keyboards und Designs wie in den frühen 80ern loslegen, fehlt ja leider oft das Wichtigste: Ein Song, der trotz Minimalismus weder albern noch wie eine billige Kopie wirkt. Regis Turner hat auch ohne Retro-Buttons oder Popperkrawatte gleich 10 solcher Songs im Album-Gepäck, einer davon heißt "GSM".
/ Weblink:Regis Turner
  

 





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Beim letzten Mal widmeten wir uns Petra Flurr, der ja gerne auch einmal die Dame gibt. Diesmal drehen wir es um und schauen auf eine Französin, die es mag maskulin oder mindestens androgyn rüberzukommen. Mich erinnert das optische Ergebnis ein wenig an den jungen Blaine L. Reininger, nur halt ohne Schnurrbart. Und musikalisch passt der Vergleich sogar, denn Madmoizel - so der Name - mag wie Herr Reininger den etwas experimentellen Art Pop. Diesen produziert sie allerdings auf rein synthetischem Weg. 2009 gab es das erste Lebenszeichen, die Kompositionen waren noch beatlastiger und schnell war die Ablage `Electroclash´ gefunden. Dieses Fach ist lange verstaubt und auch Madmoizel entwickelte sich musikalisch weiter. "Lady Dandy" hieß 2012 ihr kleiner Synth-Pop Hit, der ihr im französischen Raum schnell Einladungen bescherte, Acts wie Anne Clark, Kas Product und Camilla Sparksss als Live Support zu begleiten. Das aktuelle Album trägt den Titel "The Love Machinery" und ist als ihr erstes nicht nur Digital, sondern auch als CD- und Vinylausgabe erschienen. Höhepunkte darauf, bilden der anspruchsvolle Opener "Let´s Walk", das swingende, leichtere "Beat Frequencies" und der Electro-Chanson "Amour Naufrage". Hier zum Hineinhorchen einmal "Beat Frequencies" in einer Liveversion.
/ Weblink:Madmoizel 

 





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Cyn M nennt sich eine Dame, die `Drama´ am Mikro zu inszenieren weiß, ohne dass es jemals kitschig oder zu schmalzig wirkt. Dazu lockt sie auch schon einmal Reverb-Sounds aus ihrer Gitarre. Ihr Partner Andy Z liefert mittels elektronischer Gerätschaften das hypnotische Grundgerüst dazu und fertig ist Silence In The Snow, so der Name des Duos aus Oakland. Dream Pop vom Allerfeinsten enthält das Debütalbum "Break In The Skin", das am 1. November auch als sehr limitiertes Vinyl (250 Stück) erscheinen wird. Ein Song wie "Lost Gems" erinnert stark an Zola Jesus oder Chelsea Wolfe. Siouxsie Sioux kommt einem wegen der sehr ähnlichen Stimme sogar mehrmals in den Sinn. Das reicht aber doch nicht wirklich, um zu beschreiben, wie Silence In The Snow nun klingen. Weniger poppig als Laura Carbone, keine Country-Einflüsse wie in der Musik von Evi Vine, nicht so psychedelisch wie Chelsea Wolfe und weniger verspielt als Zola Jesus. Alles ein bisschen enthalten und dennoch klingen Silence In The Snow letztendlich eigenständig. Dazu kühl und differenziert, kein Instrument zu viel, alles bleibt trotz vieler Echoeffekte angenehm ortbar und unverwaschen, was im Bereich Dream Pop schon wieder besonders ist. Zum Hineinhören sollte man sich "Lost Gems" nicht entgehen lassen, hier aber dennoch als Beispiel ein Ambienttrack ohne Drums, welcher den Bandnamen trägt und innerhalb des Albums als kurze Rohe-Oase dient.
/ Weblink:Silence In The Snow

 
 





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Ian Hicks lebt in der Grafschaft Surrey, die sich in England befindet. Soweit zur Erdkunde. Was hat der Mann nun mit Musik zu schaffen? Recht viel, obwohl er auf Understatement steht und außerhalb seiner Veröffentlichungen lieber still im Hintergrund werkt. Dazu bedient er sich gerne illustrer Pseudonyme wie Baron Mordant oder gibt sich gar den von Woody Allen entliehenen Namen Broadway Danny Rose. Anfang der 90er wirkte er an den berüchtigten Funky Alternative Samplern mit und versuchte sich später in der Techno-Hochzeit mit Breakbeat Sounds. Kurz, elektronische Klänge sind sein Ding, aber halt die eher ungewöhnlichen. Der Begriff "radiophonic" wäre hier ein Stichwort, aber dann fände der Text hier kein Ende. Jedenfalls gründete er Anfang des Jahrhunderts das Label Mordant Music, welches meist nur eine Veröffentlichung pro Jahr bringt. Gemeinsam mit dem Electroambient Musiker Nick Edwards, der vorwiegend durch sein Projekt Ekoplekz bekannt ist, gründete er dann 2012 auch das Duo eMMplekz, das mittlerweile auf sechs Releases zurückblicken kann. Ian Hicks setzt darin seine `Spoken Words´ in den Vordergrund, welche in eine Kulisse von Dub, Acid und Ambientklängen integriert werden. Ihre aktuelle Veröffentlichung ist eine Minisingle namens "Lath for Lath's Sake". Mini, weil sie statt 7" nur 5" misst und wie der Titel bereits vermuten lässt, nicht als Vinyl gepresst, sondern in Kunststoff geschnitten wurde (Lathe Cut). Man könnte eMMplekz wegen des Sprechgesangs grob als dunkle und zurückhaltendere Ausgabe der Sleafords Mods einordnen. Dub-Effekte und Tape-Loops sind nicht jedermanns Sache, aber speziell diese Single ist dann auch etwas für die Minimal-Synth Freunde geworden. Sie knüpft an "Ancient Weather Riffs", "People Are (sf) People " und andere Höhepunkte des letzten Albums "Rook to TN34" aus dem Frühling an, zu dem man über den Single-Umweg nun vielleicht eher Zugang gewinnt. Wenn mir auch die düstere Herbststimmung der B-Seite etwas besser gefällt, zum Hineinhören hier der angesprochene Titelsong der Single. Oder nein, spontan umentschieden, wir haben ja – wie bereits mehrfach betont - schließlich Herbst, daher hier das sehr unsonnige, beinahe resigniert-depressive "Not Actual Game Footage".
/ Weblink:eMMplekz 

 





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